Der in dem Rangnachteil eines Rechts liegende Schaden, der durch die Verletzung der nach § 53 BeurkG bestehenden Amtspflicht des Notars, für die Beseitigung von einer Grundbucheintragung entgegenstehenden Hindernissen Sorge zu tragen, entstanden ist, ist dem Notar nicht zuzurechnen, wenn das Recht im Fall seiner vorrangigen Eintragung nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes erfolgreich angefochten worden wäre.
Im hier entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof zunächst einen Verstoß der beklagten Notarin gegen die ihr gemäß § 53 BeurkG obliegenden Pflichten angenommen, weil sie nicht dafür Sorge getragen hat, dass das ihr vom Grundbuchamt mit Zwischenverfügung mitgeteilte Eintragungshindernis umgehend beseitigt wird. Aufgrund dieses Versäumnisses wurde in der Folgezeit der Eintragungsantrag zurückgewiesen, die zugunsten des Grundstückseigentümers und seines Lebensgefährten nach § 18 Abs. 2 Satz 1 GBO eingetragene Vormerkung von Amts wegen gelöscht (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GBO) und so die rangwahrende Wirkung der Vormerkung gegenüber der zwischenzeitlich für das Land Niedersachsen eingetragenen Sicherungshypothek wieder zunichte gemacht.
Allerdings ist der Schaden, der dem Grundstückseigentümer und seinem Lebensgefährten in Gestalt des Nachrangs ihres später nach Beseitigung des Eintragungshindernisses aufgrund einer neuen Eintragungsbewilligung doch noch in das Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts gegenüber der auf Ersuchen des Finanzamts in das Grundbuch eingetragenen Sicherungshypothek entstanden ist, nicht dem amtspflichtwidrigen Verhalten der Notarin zuzurechnen. ist. Eine solche Schadenszurechnung steht angesichts einer möglichen Anfechtbarkeit eines im Rang vor der Sicherungshypothek eingetragenen Wohnungsrechts nicht fest.
Dem Land Niedersachsen hätte als Gläubiger der Sicherungshypothek ein Anfechtungsrecht nach § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1 AnfG zugestanden, wenn das Wohnungsrecht – ohne die Amtspflichtverletzung der Notarin – aufgrund der notariell beurkundeten Bewilligung im Rang vor der zugunsten des Landes eingetragenen Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen worden wäre.
Das Wohnungsrecht hätte in diesem Fall das Land als Gläubiger im Sinne von § 1 Abs. 1 AnfG benachteiligt, weil es gemäß § 44 Abs. 1 ZVG in das geringste Gebot aufzunehmen; und vom Ersteigerer zu übernehmen gewesen wäre (§ 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG) mit der Folge eines geringeren Versteigerungsinteresses oder zumindest erlöses.
Bei der Bewilligung des Wohnungsrechts handelte es sich ausweislich der notariellen Urkunde um eine unentgeltliche Leistung des Grundstückseigentümers im Sinne von § 4 Abs. 1 AnfG. Eine Entgeltlichkeit ist auch von den Parteien nicht vorgetragen worden.
Das Land Niedersachsen wäre nach § 2 AnfG anfechtungsberechtigt gewesen. In Anbetracht des Vortrags des Grundstückseigentümers zu seiner “chronisch schwachen Finanzlage” ist davon auszugehen, dass die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ohne Verwertung des Grundstücks nicht zu einer sofortigen vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hätte.
Ein bei vorrangiger Eintragung des Wohnungsrechts bestehendes Anfechtungsrecht des Landes hätte im Fall seiner Ausübung dazu geführt, dass die Finanzverwaltung nach § 11 Abs. 1 AnfG von den Berechtigten des Wohnungsrechts als Anfechtungsgegnern hätte verlangen können, der Sicherungshypothek entsprechend § 880 BGB Vorrang gegenüber dem anfechtbar bestellten Wohnungsrecht einzuräumen. Die Berechtigten des Wohnungsrechts hätten mithin im Fall der Ausübung des Anfechtungsrechts im Ergebnis so gestanden, wie sie nunmehr infolge der Amtspflichtverletzung der Notarin stehen.
Zwar hat die Notarin nicht ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt, das das Finanzamt die “Einrede der Anfechtung” überhaupt erhoben hätte. Ihr Vortrag, die unentgeltliche Zuwendung des Wohnungsrechts wäre der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz unterworfen gewesen, ist jedoch ohne weiteres dahin zu verstehen, dass die Finanzverwaltung im Fall einer anfechtbaren vorrangigen Eintragung des Wohnungsrechts von seinem Anfechtungsrecht auch tatsächlich Gebrauch gemacht hätte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Finanzamt unstreitig im fraglichen Zeitraum bereits Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Grundstückseigentümer eingeleitet hatte.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass es den Berechtigten des Wohnungsrechts bei mangelnder Amtspflichtverletzung der Notarin zeitlich nur knapp gelungen wäre, das bewilligte Wohnungsrecht vorrangig vor der Sicherungshypothek in das Grundbuch eintragen zu lassen. Die rangwahrende Vormerkung (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 GBO), die den Anspruch auf Eintragung des Wohnungsrechts gemäß der (ersten) Bewilligung sicherte, und die Sicherungshypothek wurden an demselben Tag in das Grundbuch eingetragen. Es erscheint daher lebensnah, dass die Finanzverwaltung angesichts dieser zeitlichen Nähe das vorrangige, ihr Sicherungsrecht erheblich beeinträchtigende Wohnungsrecht angefochten hätte.
Sollte von einer – hypothetischen – Anfechtung des Wohnungsrechts auszugehen sein, führte dies im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage zur Verneinung einer Schadenswahrscheinlichkeit.
Das Oberlandesgericht Celle hat den Vortrag der Notarin zur Anfechtbarkeit des bewilligten Wohnungsrechts dahin verstanden, dass die Notarin eine “Reserveursache” geltend machen wolle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Bereich der Notarhaftung eine hypothetische “Reserveursache” beachtlich, wenn der Geschädigte ihr bereits bei Eintritt des schädigenden Ereignisses ausgesetzt war und aus ihr ohne dieses Ereignis alsbald in Anspruch genommen worden wäre. Dagegen haben hypothetische Ereignisse, die zu einem späteren Zeitpunkt aus anderem Anlass eingetreten wären, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben.
Vorliegend waren der Grundstückseigentümer und sein Lebensgefährte zum Zeitpunkt der Amtspflichtverletzung der Notarin noch nicht einem Anfechtungsanspruch des Landes Niedersachsen – als möglicher Reserveursache – ausgesetzt. Ein Anfechtungsanspruch wäre vielmehr erst mit der vorrangigen Eintragung des das Land als Gläubiger benachteiligenden Wohnungsrechts im Grundbuch, das heißt nur im Fall eines pflichtgemäßen Verhaltens der Notarin entstanden.
Die Frage, ob angesichts dieser Besonderheit dennoch von einer “Reserveursache” oder eher von der Situation eines rechtmäßigen Alternativverhaltens auszugehen ist, bedarf keiner abschließenden Klärung. Der Sache nach handelt sich in jedem Fall um die Frage der Zurechnung des in dem – das Wohnungsrecht betreffenden – Rangnachteil liegenden Schadens.
Der in dem schlechteren Rang des Wohnungsrechts bestehende Schaden des Grundstückseigentümers und seines Lebensgefährten ist der Notarin nicht zuzurechnen, wenn sich feststellen lässt, dass das Finanzamt V. von einem ihm zustehenden Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte und so der bei pflichtgemäßem Verhalten der Notarin “buchmäßig” entstandene Rangvorteil wieder beseitigt worden wäre. Ein bei vorrangiger Eintragung des Wohnungsrechts bestehendes Anfechtungsrecht des Landes hätte im Fall seiner – in vorliegendem Zusammenhang zu unterstellenden – Ausübung dazu geführt, dass die Finanzverwaltung nach § 11 Abs. 1 AnfG von den Berechtigten des Wohnungsrechts hätte verlangen können, der Sicherungshypothek Vorrang gegenüber dem anfechtbar bestellten Wohnungsrecht einzuräumen. Die Berechtigten des Wohnungsrechts hätten bei Ausübung des Anfechtungsrechts daher genauso gestanden, wie sie nunmehr infolge der Amtspflichtverletzung der Notarin stehen. Auch ein pflichtgemäßes Verhalten der Notarin konnte mithin in diesem Fall nicht dauerhaft einen Rangvorteil des Wohnungsrechts gegenüber der Sicherungshypothek sicherstellen. Eine Zurechnung des durch die Amtspflichtverletzung der Notarin erlittenen Rangnachteils als Schaden kommt dann nicht in Betracht.
Es ist daher nunmehr insbesondere zu klären, ob die Finanzverwaltung im Fall der gegenüber der Sicherungshypothek vorrangigen Eintragung des bewilligten Wohnungsrechts von einem dem Land Niedersachsen zustehenden Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte. Hierzu wird zunächst den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu gewähren sein. Bestreitet der Grundstückseigentümer die – hypothetische – Geltendmachung des Anfechtungsrechts durch die Finanzverwaltung, wird aufgrund eines entsprechenden Beweisangebots der Notarin gegebenenfalls Beweis zu erheben sein, wobei allerdings in Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ein reduziertes Beweismaß gilt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Februar 2015 – III ZR 29/14